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Grundlagen der Salutogenese im Coaching

Aktualisiert: 2. Okt. 2019

Autorin: Ilona Mazur


Dieser Beitrag basiert zum Teil auf Auszügen einer Studienarbeit zum Thema „Individuelles Körperorientiertes Coaching auf der Grundlage der Salutogenese“ an der Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst in Berlin. Es soll skizziert werden, inwiefern eine salutogenetische Betrachtungsweise eine Grundlage für spezifische Coaching-Ansätze darstellen kann.


Das Konzept der Salutogenese (lateinisch salus = Gesundheit; und griechisch genesis = Entstehung) wurde in den 70er Jahren von dem israelisch-amerikanischen Medizinsozio- logen und Stressforscher Aaron Antonovsky (1923-1994) als komplementäres Konzept zur Pathogenese entwickelt. Antonovsky fragte nicht nach der Entstehung von Krankheit, sondern im Gegenteil danach, wie Gesundheit entsteht und aufrechterhalten wird. Ein ganz wesentlicher Punkt in seinem Konzept ist das Kohärenzgefühl (SOC – Sense Of Coherence). Dieses Kohärenzgefühl ist eine allgemeine Grundhaltung oder Fähigkeit, die Welt als zusammenhängend und sinnvoll zu erleben, ein durchdringendes Gefühl des Vertrauens, also „ein Sinn für stimmige Verbundenheit“ bzw. „ein Gefühl von stimmiger Verbundenheit“. Es setzt sich nach Antonovsky aus drei Komponenten zusammen:



• Gefühl der Verstehbarkeit (sense of comprehensibility) – Damit ist die Fähigkeit des Menschen gemeint, Einflüsse aus der Umwelt so zu ordnen und zu strukturieren, dass sie sinnvoll interpretiert und verarbeitet werden können. • Gefühl der Handhabbarkeit/Machbarkeit (sense of manageability) – Benennt die Über- zeugung und den Glauben, Probleme aktiv bewältigen zu können, indem man entweder auf innere Ressourcen wie Zuversicht, Selbstvertrauen, Erfahrungen oder auf externe Ressourcen wie soziales Umfeld, Umwelt zurückgreift.

• Gefühl der Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness) – Beschreibt die Dimension, in der das Leben als sinnvoll erlebt wird und die Bereitschaft, Herausforderungen zu bewältigen, weil es einen Sinn hat bzw. ergibt.


Ein Mensch mit einem stark ausgeprägten Kohärenzgefühl kann auf Herausforderungen flexibel reagieren und Ressourcen entsprechend der Situation aktivieren (Antonovsky 1997, S. 36 ff.).


Weiter führt Antonovsky aus, dass die Komponenten des SOC (Verstehbarkeit, Handhabbar- keit, Bedeutsamkeit) „ ... zwar alle notwendig, aber nicht in gleichem Maße zentral sind. Die motivationale Komponente der Bedeutsamkeit scheint am wichtigsten zu sein. Ohne sie ist

ein hohes Ausmaß an Verstehbarkeit und Handhabbarkeit wahrscheinlich von kurzer Dauer. Die Person, die sich engagiert und kümmert, hat die Möglichkeit, Verständnis und Ressour- cen zu gewinnen. Verstehbarkeit scheint in der Reihenfolge der Wichtigkeit an nächster Stelle zu stehen, da ein hohes Maß an Handhabbarkeit vom Verstehen abhängt. Das bedeutet nicht, dass Handhabbarkeit unwichtig ist. Wenn man nicht glaubt, dass einem Res- sourcen zur Verfügung stehen, sinkt die Bedeutsamkeit, und Copingbemühungen werden schwächer. Erfolgreiches Coping hängt daher vom SOC als Ganzem ab.“ (Antonovsky 1997, S. 38).


Salutogenese im Coaching Das Konzept der Salutogenese bietet einen alternativen Rahmen für die Orientierung und Strukturierung im Coaching-Prozess. Im Rahmen der salutogenetischen Betrachtungsweise wird der Mensch in seiner Ganzheit gesehen und seine Individualität respektiert, auch mit seiner individuellen Sicht der Welt und der Abgrenzung und Auswahl von spezifischen Themen und Lebensbereichen, die jeweils für ihn sinnhaft und von Bedeutung sind. Die Orientierung erfolgt dabei an den jeweiligen individuell zur Verfügung stehenden Ressourcen, die mit dem Ziel einer Stärkung des Kohärenzgefühls reflektiert und weiter- entwickelt werden können, was somit letztlich der Entwicklung der Gesamtgesundheit einer Person, hier des Klienten, dient (Kryl 2013). Zu Beginn des Coaching ist es daher wichtig, das Anliegen eines Klienten zu erfassen und zu verstehen, wie er sich in seinem Lebenskontext wahrnimmt und welche Bedeutung sein Anliegen für ihn persönlich hat. Nimmt es einen bedeutenden Stellenwert in seinem Leben ein, so leidet sein Kohärenzgefühl. Die drei bereits erwähnten Komponenten des Kohärenzgefühls erweisen sich dabei als hilfreich für die Strukturierung und die individuelle Einordnung seines Anliegens.


Zur praktischen Orientierung im Rahmen dieses Konzeptes wurden verschiedene Instrumente entwickelt. Antonovsky selbst erarbeitete zur Erfassung des Kohärenzgefühls einen 29 Fragen umfassenden Fragebogen zur Lebensorientierung, auch als SOC- oder Kohärenzfragebogen bezeichnet (Antonovsky 1997, S. 173 ff., S. 191 ff.), der eine stan- dardisierte Befunderhebung zu den einzelnen Komponenten des SOC ermöglicht. Auch Björn Migge schlägt in seinem Handbuch im Rahmen des Coaching mit konkreten Beispielen eine Ausrichtung der Fragestellung nach Salutogeneseprinzipien vor, was zu einer ersten Orientierung Hilfe geben könne (Migge 2011, S. 291).


Eine Weiterentwicklung stellt das Konzept der Salutogenen Kommunikation (SalKom®) des Arztes und Psychotherapeuten Theodor D. Petzold dar. Es handelt sich hierbei um eine methodische Orientierung, bei welcher der Fokus in der Gesprächsführung auf die Anregung der Selbstregulation und stimmige Entfaltung des Potenzials gerichtet wird. Diese nachhaltigen Selbstorganisationsprozesse sind auf Kreativität ausgerichtet und fördern Zufriedenheit, Sinnerfüllung und Wohlbefinden. Dieser Fokus gilt sowohl für einzelne Personen wie z. B. Führungskräfte als auch für Teams und ganze Organisationen (Petzold 2013).


Fazit

Das salutogenetische Modell bietet mit einer inzwischen recht fundierten theoretischen, praktischen und empirischen Grundlage sowie seiner Ressourcenorientierung und ganz- heitlichen Betrachtungsweise eine gute Basis nicht nur für individuelle Coaching-Ansätze, sondern auch für Coaching in komplexeren Strukturen.



Autorin:

Ilona Mazur Zertifizierter Gesundheitscoach (FH) Bewegungs- und Tanztherapeutin BTD, Supervisorin BTD Salutogenetisch orientierte Beraterin (Zentrum für Salutogenese, Bad Gandersheim)
















Literatur:

  • Antonovsky, A.: (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: DGVT.

  • Kryl, I. P. (2013): Salutogenese und Coaching. Coaching-Magazin 03/2013, 20-24.

  • Mazur, I. (2014): Individuelles Körperorientiertes Coaching auf der Grundlage der Salutogenese, Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst, Berlin.

  • Migge, B. (2011): Handbuch Business-Coaching. Weinheim: Beltz.

  • Petzold, D. T. (2013): Praxisbuch Salutogenese – Gesundheit ist ansteckend. München: Random House.







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